Holstein Kiel in Dortmund: Nach dem Spektakel beginnen die Aufräumarbeiten
Für Holstein Kiel steht nach dem bereits besiegelten Abstieg am letzten Spieltag der Fußball-Bundesliga noch ein Saisonhöhepunkt an. Die KSV tritt am Sonnabend vor über 80.000 Zuschauern bei Borussia Dortmund an. Nach dem Duell mit dem Champions-League-Anwärter beginnen die Aufräumarbeiten an der Förde.
Marcel Rapps Statement zur 1:2-Niederlage gegen den SC Freiburg, die gleichbedeutend mit dem vorzeitigen Abstieg war, fiel kurz und knapp aus. Und Kiels Coach beendete seine Ausführungen am vergangenen Sonnabend mit dem Satz: "Wir sind jetzt ein bisschen traurig - und dann geht es ab Mittwoch wieder weiter."
Ob die drei freien Tage den Holstein-Schützlingen gereicht haben, um den Frust über den verpassten Klassenerhalt schon etwas aus den Kleidern zu schütteln, wird sich am Sonnabend (15.30 Uhr, im Livecenter bei NDR.de) zeigen, wenn das vorerst letzte Bundesliga-Spiel der KSV in Dortmund ansteht.
"Jetzt gilt es, da weiterzumachen. Alle zusammen, alle für Holstein. Und dann gibt es im nächsten Jahr einen neuen Anlauf in der Zweiten Liga." Coach Marcel Rapp
Große Unterstützung auch in Dortmund
Spätestens beim Blick ins weite Rund des einmal mehr mit 81.365 Zuschauern ausverkauften Fußball-Tempels in der Strobelallee müssten die Augen der Kieler Spieler eigentlich wieder leuchten. Zumal zur tollen Atmosphäre im größten deutschen Stadion auch viele Holstein-Fans beitragen werden.
"Vor ein paar Jahren waren 8.000 Leute bei einem Heimspiel, nun fahren 8.000 Fans mit nach Dortmund", sagte Rapp. Die große Unterstützung sei ein Beweis dafür, dass bei Holstein "etwas passiert" ist, so der Trainer: "Ich bin einfach stolz darauf, was hier entstanden ist."
Holtby-Einsatz in seinem letzten KSV-Spiel offen
Es werde mit Sicherheit "ein besonderes Spiel werden, an das man sich rückblickend erinnern wird", so der Holstein-Coach am Donnerstag. "80.000 Zuschauer - da hauen wir noch mal alles raus. Das Motto ist nicht nur genießen. Wir gehen da rein, um drei Punkte zu holen."
Ob der scheidende Kapitän Lewis Holtby in seinem letzten Spiel für die Schleswig-Holsteiner eingesetzt wird, ließ Rapp offen: "Wir stellen die Spieler auf, von denen wir meinen, dass wir mit ihnen die größte Chance haben, das Spiel zu gewinnen. Das bedeutet aber nicht, dass Lewis Holtby nicht von Anfang an spielt." Holtby und der Verein hatten bereits vor einigen Wochen verkündet, dass der Vertrag mit dem Mittelfeldspieler nicht verlängert wird.
Rebbe: "Können hier eine gute Zukunft bauen"
Bereits seit 2021 zeichnet der Pfälzer Rapp nun für die Schleswig-Holsteiner verantwortlich. Der überraschende Bundesliga-Aufstieg im vergangenen Jahr war das Meisterstück des 46-Jährigen. Dass er nun mit der KSV die Klasse nicht halten konnten, hat seinem Ansehen in der Branche nicht geschadet. In Anbetracht des vergleichsweise kleinen Etats wäre der Ligaverbleib eine mittelschwere Sensation gewesen. Dessen ist sich Rapp bewusst. Und dessen sind sich auch die Vereinsverantwortlichen bewusst, die den Vertrag des Trainers aus voller Überzeugung bis 2028 verlängert haben.
Statt - wie häufig bei Absteigern üblich - alles auf links zu drehen, wird an der Waterkant die Ruhe bewahrt. "Hier ist eine gute Basis, die Leute stehen hinter dem Verein. Wir können solide arbeiten und eine gute Zukunft bauen. Dafür stehen auch verschiedene Themen: Der Trainer bleibt und der Kern der Mannschaft bleibt. Darauf können wir richtig gut aufbauen und das lässt mich positiv in die Zukunft blicken", sagte Holsteins Sportgeschäftsführer Olaf Rebbe dem NDR.
Drei Abgänge fix, Machino und Co. umworben
Der 47-Jährige hat bei seiner vorigen Station, dem 1. FC Nürnberg, seinen guten Blick für Talente unter Beweis gestellt. Er generierte für die Franken Millionen-Einnahmen durch Transfers, bevor er Mitte Februar dieses Jahres beim "Club" aus dem Amt schied und rund zwei Monate später in Kiel vorgestellt wurde. Seitdem musste Rebbe zweigleisig planen. Was er in seiner kurzen Zeit bei der KSV bereits festgestellt hat: "Wir haben richtig viele Tore geschossen, haben aber auch zu viele bekommen. Schauen wir mal, dass wir das Torverhältnis richtig rücken."
Sein Hauptaugenmerk bei Neuverpflichtungen dürfte also erst einmal auf Defensivspielern liegen. Muss es wahrscheinlich auch deshalb, weil Timo Becker zu Schalke 04 wechselt und andere Verteidiger wie David Zec und Marko Ivezic Gerüchten zufolge von der Konkurrenz umgart werden. Auch Akteure wie Top-Torjäger Shuto Machino und seine Angriffskollegen Phil Harres und Alexander Bernhardsson werden für Holstein vielleicht nicht zu halten sein.
Der Umbruch - bislang stehen neben Becker nur Holtby und der langzeitverletzte Colin Kleine-Bekel als Abgänge fest - könnte also größer ausfallen, als bisher von den KSV-Verantwortlichen angenommen und gewollt. Zumal die Schleswig-Holsteiner bei guten Angeboten wohl schon aus wirtschaftlichen Gründen Spieler abgeben müssten. Denn durch den Abstieg verringern sich allein die TV-Gelder von über 30 Millionen auf rund 10 Millionen Euro.
Kieler Weg soll trotz Abstiegs fortgesetzt werden
Die ganz großen Stars werden die "Störche" daher vermutlich in einigen Wochen nicht als Zugänge präsentieren. Wollen die Kieler aber auch gar nicht. Und will Rapp auch nicht, wie er noch einmal beteuerte: "Man muss seinem Weg treu bleiben. Und ich glaube, das haben wir geschafft. Wir haben uns nicht verloren in irgendwas. Wir haben einen klaren Weg, eine klare Idee vom Fußball und eine klare Fantasie, welche Spieler für Holstein Kiel spielen sollen", sagte der Coach.
Der 46-Jährige hat seine Qualitäten als "Bessermacher" in den vergangenen Jahren eindrucksvoll bewiesen. Rapp formte aus unbekannten Akteuren wie Harres Bundesliga-Spieler und integrierte sie in eine Mannschaft, die durch klar strukturierten Fußball und homogenes Auftreten beeindruckte.
Rapp: "Zum Schluss hat die Qualität gefehlt"
Nur ganz selten wie beim 1:6 gegen den FC Bayern München war der Low-Budget-Novize chancenlos. Häufig fehlten nur Nuancen zum Sieg. "Zum Schluss hat die Qualität nicht gereicht. Wir müssen es analysieren. Es war mehr drin. Auch bei mir. Ich werde auch analysieren, was ich besser hätte machen können", sagte Rapp gewohnt selbstkritisch.
Worte, die aus dem Munde eines Profi-Trainers sehr selten sind. Und Worte, die davon zeugen, dass am Standort Kiel mit großer Sachlichkeit und Selbstreflexion gearbeitet wird. Fraglos zwei Argumente, die für eine Rückkehr von Holstein in die Bundesliga sprechen. Vielleicht nicht schon im kommenden Jahr. Aber ziemlich sicher irgendwann, wenn die KSV ihrem Weg auch in Zukunft treu bleibt.
Mögliche Aufstellungen:
Borussia Dortmund: Kobel - Süle, Anton, Bensebaini - Ryerson, Sabitzer, F. Nmecha, Svensson - Brandt, Adeyemi - Guirassy
Holstein Kiel: Dähne - Becker, Johansson, Zec - Rosenboom, Remberg, Ivezic, Tolkin - Skrzybski - Bernhardsson, Machino
